1 Definition von Marmor


In der Petrographie (Gesteinswissenschaft) bezeichnet man ein Gestein als Marmor, in das hauptsächlich aus Kalzit, also Kalziumcarbonat CaCO3 besteht und metamorph umgebildet wurde. Der hohe Anteil an Kalziumkarbonat von meist über 98% erklärt sich durch die Entstehung. Marmore haben ihren Ausgangspunkt in einem urzeitlichen Meer. Zu dieser Zeit war der größte Teil der Erde mit Wasser bedeckt, in welchem eine reiche Artenvielfalt lebte. Riesige Korallenriffs und verschiedene Muschel- und Hartschalentiere sind besonders typisch für dieses Erdzeitalter. Aufgrund der großen Anzahl von Lebewesen war auch der Anfall von Schalenresten sehr hoch. Abgestorbene Organismen sanken auf den Meeresgrund ab und wurden von immer neuen Schichten ebensolcher und schließlich von Schlamm- und Schuttmassen überdeckt. Da die Schalen und Korallen nun abgeschlossen vom Wasser waren, konnten sie sich nicht in diesem auflösen. Als immer neue Mengen von Sedimenten auf ihnen lagerten, wurde der Druck, den diese und die darüber befindliche Wassersäule ausübte, noch vervielfacht. Die Ablagerungen wurden zusammengepresst und sanken in die Erdkruste ein. Dort erhöhte sich der Druck noch mehr, sodass die Dichte der Partikel immer weiter anstieg. Mit dem Weg in Richtung des Erdinneren stiegen auch die Temperaturen immer weiter an, sodass die Kalkteilchen der Korallen, Muscheln und Schalentiere in tiefen Bereichen des Erdmantels zu Kalkkristallen reagierten. Diesen Umbildungsprozess von Kalkgestein zu kristallinem Marmor durch die erdinneren Kräfte nennt man Metamorphose. Trotz der gleichartigen Entstehung weist jedoch jeder Marmor eigene gesteinsphysikalische Werte auf. Dies ist besonders in den Festigkeitswerten, also Druck und Biegezug, aber auch den äußerlichen Eigenschaften wie Äderung, der Größe der Kristalle und Färbung bemerkbar. Jeder Marmor hat seine eigene Farbgebung, welche von den unterschiedlichen Beimengungen und oder Verbindungen mit Metallen oder ähnlichem abhängig ist. 2


2 Entstehung und Beschaffenheit des Tannaer Marmors


Vor etwa 350 bis 410 Millionen Jahren, im Erdzeitalter des Devon, lag das Gebiet, in welchem wir uns heute hier befinden, dem ehemaligen Kreis Schleiz, in der Nähe des Äquators und war vom Meer bedeckt (siehe Anlage 1). Es muss damals dort ganz ähnlich wie heute in der Südsee ausgesehen haben. Das Meer war von Lebewesen aller Art reich bewohnt. Im etwa 12 Kilometer entfernt gelegenen Hirschberg fand man einen Stein, in welchem ein andersartiges Material eingelagert war. Lange Zeit dachte man, es handle sich dabei um Versteinerungen von Tieren. Die moderne Forschung ermöglichte allerdings eine genauere Analyse und es stellte sich heraus, dass es sich hierbei um Bohr- und Wohnröhren wurmähnlicher Tiere handelt. Da diese Tiere nur in seichten flachen Küstengewässern vorkommen, ist der Schluss legitim, dass die Region Hirschbergs einst eine Uferregion war. Nur wenige Kilometer entfernt vom Festland erstreckten sich prächtige und riesige Korallenriffe, zwar in tiefem Meerwasser, allerdings aufgrund des benötigten Sonnenlichts und der Wärme auch nicht zu weit entfernt von diesem. Der hohe Artenreichtum führt ebenfalls ein hohes Absterben mit sich. Werden die kalkhaltigen Korallen, Muscheln und Schalentiere dann von einer Schlammschicht abgedeckt, so entsteht sedimentäres Kalkgestein. Neben den zahlreichen Kalksteinvorkommen in unserer Gegend zeugen von diesem Fall auch die großen Lehmvorkommen in Tanna, da dieser ein Verwitterungsprodukt von Marmor ist. Ein Merkmal von Marmor im petrographischen Sinne - das der vollzogenen Metamorphose - kann das Tannaer Gestein allerdings nicht aufweisen. Der nur etwa sieben Kilometer entfernt, in Rothenacker befindliche Marmor, weist dagegen eine unter hohem Druck, hoher Dichte und hoher Temperatur entstandene kristalline Struktur auf und ist somit der einzige Marmor in Thüringen. Dies rührt daher, dass er näher am Bergaer Sattel, welcher auch als Ostthüringer Hauptsattel bezeichnet wird, liegt (siehe Anlage 2). Dieser erstreckt sich von Lobenstein bis nach Weida und ist durch die Verschiebung von Platten entstanden. Die hierbei aufeinander treffenden Erdmassen schoben sich so gewaltig gegeneinander auf, dass neben Sattel und Mulden, also Hebungen und Senkungen, auch Vulkane entstanden. Kalkgesteine unserer Gegend haben also keine kristalline Struktur, weil sie nicht so tief in den Erdmantel abgesunken sind, dass die dort vorherrschende Wärme die hierfür nötige Energie geliefert hätte. Der einzige Marmor Thüringens vollzog diesen Umwandlungsprozess aufgrund seiner unmittelbaren Nähe zum Thüringer Wald, Frankenwald und Erzgebirge, welche durch die vulkanische Tätigkeit entstanden. Das Gestein in Tanna weist allerdings auch vereinzelt kristalline Bereiche auf. Außerdem beweisen unzählige feinst verteilte Äderchen von Glimmer ebenfalls eine Metamorphose im Anfangsstadium (siehe Anlage 3). 3 Indes verleihen diese Glimmereinlagerungen dem Gestein gewisse schiefrige Eigenschaften. Manche Partien lassen sich ebenso einfach wie dieser in dünne Scheiben zerteilen (siehe Anlage 3,4). Da das Tannaer Vorkommen aber schleif-, schneid- und polierfähig ist, zählt es zu den Architektenmarmoren, nicht wie petrographisch echter Marmor unter die Bildhauermarmore. 4 Diese Zuordnung führte auch im Volksmund zu der Bezeichnung Marmor für die Tannaer Lagerstätte, was auch uns veranlasst, in dieser Arbeit von Marmor zu sprechen. Neben den Verarbeitungsmöglichkeiten waren es vor allem die einzigartige bordeauxrote Farbe und seine Lebendigkeit, welche durch die muntere weiße Äderung und die kleinen versteinerten Ammoniten hervorgerufen wird, die ihn in ganz Deutschland beliebt und begehrt machten. Die außergewöhnliche Farbe war es auch, die ihm den Namen „Königsrot“ und für kurze Zeit „Imperial“ bescherte. 2